eine Kritik zu „Reinas„
Lima, Peru, 1992. Politisch und wirtschaftlich steht das Land vor Krisen und Herausforderungen. Während die Wirtschaft in sich zusammenbricht und eine drastische Inflation die Bürger:innen belastet, stehen Terror und Gewalt auf der politischen Agenda. Im April 1990 stehen Wahlen an, die Alberto Fujimori mit seiner neu gegründeten Partei „Wechsel 90“ gewinnt. Er gilt in der Bevölkerung als politischer Außenseiter, der sich für die benachteiligte Gruppen einsetzt und gegen den Terrorismus und die Korruption vorgehen will.
Den Terrorismus bekämpft er mit seiner Politik vermeindlich, indem Waffen an Gemeinden ausgegeben werden, um sich gegen den Terror wehren zu können. Zudem wird von exekutiver Seite nicht mehr gegen einen Grundterror vorgegangen, sondern vereinzelt gegen Gruppen bei Terrorverdacht. Der interamerikanische Gerichtshof wirft heute der Politik Fujimoris drastische Menschenrechtsverletzungen vor. Im April 1992 löst Fujimori das Parlament auf und bringt somit die Justiz und das Land unter seine autoritäre Kontrolle. Das Militär unterstütz diese Aktion und geht gegen Kritiker:innen Fujimoris Politik sowie die politische Opposition vor.
Die politische Lage und Fujimoris Regierung wird von einem Großteil der Bevölkerung in den 90ern toleriert, bringt aber auch viele Bürger:innen dazu ihre Heimat zu verlassen um in den USA oder in Kanada auf ein besseres Leben zu hoffen. An dieser Stelle setzt auch „Reinas“ an, die autobiografisch inspirierte internationale Koproduktion von Regisseurin Klaudia Reynicke.
Im Mittelpunkt stehen die Schwestern Lucia (Abril Gjurinovic) und Aurora (Luana Vega), die bei ihrer Mutter Elena (Jimena Lindo) in Lima leben und kurz vor der Übersiedlung in die USA stehen. Während es für die beiden Schwestern darum geht die letzten Tage mit Freund:innen und Familie zu verbringen, muss Elena noch versuchen die Einverständniserklärung ihres Ex-Mannes Carlos (Gonzalo Molina) zu bekommen, sodass die gemeinsamen Töchter mit ihr das Land verlassen können. Carlos ist dafür bekannt mal hier und mal dort, aber nicht bei seiner Familie zu sein. Die Beziehung zu seinen Töchtern ist schon seit Jahren kaum vorhanden. Als er unerwartet am Geburtstag von Aurora an der Tür klingelt, mischen sich neben den schon verwirrenden Gefühlen von Abschied nehmen und Neuanfang auch noch neue und alte Gefühle über Familie, Fürsorge und Vertrauen bei den Töchtern und Eltern unter.

„Reinas“ erzählt vor allem die Geschichte von drei unfassbar starken Frauen. Von Elena, die alleinerziehend ist und alles für ihre Töchter tut, nebenbei arbeitet und mühevoll alle Vorbereitungen für die Übersiedlung trifft. Und von Lucia und Aurora, die die meiste Zeit ohne Vater aufgewachsen sind, sich irgendwo zwischen Kindsein und Erwachsen werden in einem politisch angespannten Land zurechtfinden und jetzt auch noch ihre Heimat verlassen müssen. Als Carlos auftaucht entfacht in mir zu erst eine Wut auf ihn und seine nicht erfüllte Elternrolle, und auf das Chaos und die Verwirrung, die er in die Leben seiner Töchter und Ex-Partnerin bringt, nachdem er wieder auftaucht.
Im Laufe des Filmes macht diese Wut aber immer wieder Platz für eine Art Verständnis, weil es Reynicke schafft auch Carlos Sicht auf die Dinge und Gefühle einzufangen und dem Publikum zu vermitteln. Gefühle von Reue und Versagen, weil er als Vater nicht für seine Töchter da war, keinen Bezug mehr zu ihnen hat und sie sich von ihm wegwenden. Gefühle der Angst, dass er seine Töchter für immer verlieren könnte. Das aufkommende Verständnis ist keineswegs eine Rechtfertigung für Carlos Verhalten – vor allem da dieser auch im Laufe des Filmes seine Versprechen und Pflichten immer wieder nicht einhält – aber „Reinas“ schafft es auf eine Weise die Gefühle aller Beteiligten auf die Leinwand zu bringen, dass sich Zuschauende in alle Personen, Handlungsmotive und Lagen hineinversetzten können. Das ist auf jeden Fall auch der authentischen schauspielerischen Leistung der Hauptdarsteller:innen zu verdanken.
Reynicke, die selber ihre ersten Lebensjahre in Peru lebte und mittlerweile Mutter von zwei Kindern ist, wollte mit ihrem dritten Spielfilm „Reinas“ ihre Kindheit und die Sorgen und Gefühle einer Familie in Peru in den 90er Jahren verknüpfen. Das bekommt sie gut hin und erschafft das Bild einer Familie, in denen verschiedene Gefühle aufeinander treffen, sich entfernen und am Ende doch irgendwie wieder zusammen finden.
In „Reinas“ können sich sicherlich viele Zuschauende wiederfinden und sich mit dem ein oder anderen Gefühl einer:eines Protagonist:in identifizieren. Im K-Plus Programm von Generation ist „Reinas“ sicher für Menschen allen Alters, aber auch besonders für Heranwachsende ein vielschichtiger und feinfühliger Film, dem ich nur meine Empfehlung aussprechen kann. Während des Festivals kann der Film noch am Sonntag (25.02) um 09.30h im Zoopalast angesehen werden.
Quellen:
- BPB (2024): Die Ära der „Antipolitik“ Politische Geschichte Perus 1990 bis 2006. https://www.bpb.de/themen/mittel-suedamerika/lateinamerika/44854/die-aera-der-antipolitik/
- Deutschlandfunk (2020): Als Alberto Fujimori Präsident von Peru wurde. https://www.deutschlandfunk.de/vor-30-jahren-als-alberto-fujimori-praesident-von-peru-wurde-100.html
