Little Rebels Cinema Club (Es geht wieder los: Berlinale 2025)

Endlich ist es soweit: Heute Abend wird im Haus der Kulturen der Welt die 48. Ausgabe von Generation offiziell eröffnet!

Es ist ein besonderes Jahr – zum 75. Mal finden die Berliner Filmfestspiele statt – aber eigentlich ist die Berlinale ja immer besonders. Wie jedes Jahr tummeln sich immer mehr Leute am Potsdamer Platz, Filmteams aus der ganzen Welt reisen an und stapfen durch Berlins Straßen, die Leute stehen in ewig langen Schlangen vor den Kinos, während andere gerade verzweifelt an den Laptops versuchen, in der richtigen Mikrosekunde auf den „Tickets“-Button zu klicken – und es schneit. Es schneit!

Wie dem auch sei, mit der diesjährigen Jubiläumsausgabe und der neuen Berlinale-Leitung durch Tricia Tuttle stehen aber auf jeden Fall einige Änderungen auf dem Plan, und wir sind gespannt, wie das Festival daran wachsen wird.

In der Generation-Sektion gibt es dieses Jahr auch eine bedeutsame Neuerung: Die Einführung der Generation 14plus Badges, eine Art Akkreditierung, für die sich alle jungen Kinoenthusiast:innen von 14-25 Jahren bis Anfang Dezember bewerben konnten, und die auch in den Folgejahren Bestand haben soll. Mit so einem Badge kann man an allen Generationsvorführungen teilnehmen, Vernetzungstreffen mit anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen besuchen und sich in der Badge Lounge über Perspektiven für junges Publikum austauschen. Es ist ein weiterer Schritt, das junge Zielpublikum noch mehr in das Festival einzubeziehen. Denn kein anderes Filmfestival ist so publikumsoffen und nimmt seine jungen Besucher:innen so ernst: Allein dass es eine eigene Sektion für Kinder- und Jugendfilme inklusive einer Kinder- und Jugendjury gibt, ist ein kleines Wunder – und in unserer Welt, die junge Menschen viel zu oft nicht ernst genug nimmt, so, so wichtig!

Auch wir von den freien Generation Reporter:innen haben dieses Jahr wieder Neuzuwachs bekommen, wir freuen uns über die vielen neuen Ideen unserer neuen Redaktionsmitglieder und über neue Formate, die entstehen können – davon werdet ihr dann in den nächsten Tagen noch mehr erfahren.

Bevor wir aber wieder voll und und ganz in das Festival eintauchen, möchte ich euch noch von der Generation-Programmvorstellung berichten, die vor zwei Wochen stattgefunden hat und unseren ersten Eindruck von dem Programm 2025 teilen.

– – –

Mittwoch, 29. Januar

Es ist ein grauer Winternachmittag Ende Januar, als sich gegen 16:30 Uhr das Sinema Transtopia immer mehr füllt – gleich beginnt die Programmvorstellung. Gekommen sind Bagdgeinhaber:innen, eingefleischte Generationfans und neue Besucher:innen. Auch wir von den freien Generation Reporter:innen sind zahlreich vertreten und freuen uns auf einen ersten Einblick in das diesjährige Programm. Im Raum kann man die Vorfreude auf das Festival förmlich spüren, in zwei Wochen geht es endlich los!

Begrüßt werden wir von Melika Gothe, der Sektionsmanagerin, die schon kurz darauf sechs Mitglieder:innen des Auswahlgremiums für die Langfilme und Sebastian Markt, den Sektionsleiter auf die Bühne bittet. Zu siebt stellen sie gemeinsam das Langfilmprogramm vor, zwischendurch werden kurze erste Filmclips gezeigt.

v.l.n.r.: Sebastian Markt, Miriam Vogt, Natascha Noack, Canan Turan, Ina Karkani, Seggen Mikael, Susana Borges Gomes und Melika Gothe

In der zweiten Hälfte der Veranstaltung werden dann die vier Kurzfilmprogramme, jeweils zwei aus Kplus und zwei aus 14plus mit je fünf Filmen, vorgestellt. Das übernehmen Sebastian Markt, Monica Koshka-Stein und Vincent Förster als Vertreter:innen des Kurzfilmgremiums. Wie eine „emotionale Reise aus fünf Filmen“ seien die einzelnen Kurzfilmprogramme, sagen die drei. Wenn natürlich insbesondere die Kplus-Programme auch nach den Altersempfehlungen zusammengestellt seien, gebe es dennocheinige rote Fäden und einen Gesamteindruck, der die Filme miteinander verbindet und gegenseitig anreichert. Dem Publikum und vor allem Kindern und Jugendlichen sollen so „verschiedene Formen des Kinos“ eröffnet werden, die Filme könnten wie ein“Fenster“ in einen vielleicht ganz ungewohnten Erfahrungshorizont sein.

Zur Programmvorstellung gekommen sind auch Schüler:innen und Lehrkräfte der Evangelischen Schule Berlin-Zentrum. Gemeinsam reden sie über das sehr besondere Berlinale-Projekt der Schule: Seit einigen Jahren schon haben Schüler:innen während der Berlinale die Möglichkeit, eigenständig Filmvorführungen zu besuchen und gestalten begleitend ein „Berlinaleheft“, in dem sie ihre Erfahrungen und Gedanken zu den Filmen festhalten, um sie später gemeinsam zu besprechen. Es ist ein Beispiel dafür, wie das Programm der Generation-Sektion und die Berlinale als Filmfestival in den Schulunterricht eingebunden werden können – Projekte an Schulen, die das Team von Generation noch mehr fördern will, um so auch Jugendliche erreichen zu können, die vielleicht nicht an einer Schule sind, die diese Chance bietet.

So soll immer mehr die Frage nach dem Zielpublikum gestellt werden: Wen erreicht man? Wen erreicht man nicht? In diesem Zusammenhang möchte das Team von Generation auch die Barrierefreiheit der Sektion weiter ausbauen, es sollen Hürden erst einmal wahrgenommen und dann auch gezielt abgebaut werden, das erzählt Melika Gothe. So gibt es in diesem Jahr viele Vorstellungen, deren Publikumsgespräche von Gebärdendolmetscher:innen begleitet werden – und in der Fragerunde wirddeutlich, wie wichtig es ist, dabei auf die Communties zuzugehen, um Hürden auch wirklich langfristig zu beseitigen.

Der Weg zum Programm

Das Programm von Generation 2025 besteht aus 19 Langfilmen, 20 Kurzfilmen und einer Serie als Sondervorstellung. Eingereicht wurden dieses Jahr ungefähr 900 Langfilme und 2400 Kurzfilme, all diese Filme haben die Auswahlgremien gesehen, um das finale Programm zu bilden! Es sei ein intensiver Austausch mit leidenschaftlichen Diskussionen und vielen verschiedenen Sichtweisen gewesen, erzählen die Kurator:innen. Am spannendsten sei es auch gewesen, von anderen mit Begeisterung von einem FIlm überzeugt worden zu sein, den man vorher vielleicht gar nicht zu den eigenen Favoriten gezählt hatte, und den Film dann plötzlich mit ganz anderen Augen zu sehen.

Sich während der tatsächlichen Programmpräsentation kurz zu fassen fällt allen Kurator:innen dann sichtlich schwer, wir spüren, wie lange sie über ihre liebgewonnenen Filme sprechen könnten, die sie jetzt aber sehr komprimiert präsentieren müssen.

Spannend sind vor allem die Gespräche zwischen den Filmen, wenn die Kurator:innen über allgemeinere Themen und Motive sprechen, die sich durch die Filme ziehen – und so zeichnet sich allmählich ein immer schärferes Gesamtbild des Programms ab.

Das besteht natürlich aus einzelnen, eigenständigen Filmen, aber trotzdem können die Kurator:innen viele Überschneidungen und Akzente feststellen:

Das Programm von Generation 2025

Übergreifende Themen im Programm von Generation 2025

Wie auch in den letzten Jahren tritt das Thema Trauer zum Beispiel sehr deutlich im diesjährigen Programm auf. So gab es 2022 mit „Comedy Queen„, 2023 mit „Zeevonk“ und „Sica„, und 2024 mit „It’s Okay!“ allein in den letzten Jahren einige Filme, die Trauer auf die ein oder andere Art und Weise thematisieren.

Dabei werden dieses Jahr aber ganz verschiedene Arten von Trauer beleuchtet, nicht nur die Trauer nach dem Verlust eines Menschen:

In Têtes Brûlées muss die zwölfjährige Eya mit dem Verlust ihres Bruders kämpfen und findet Trost in ihrem Glauben und im Kontakt mit seinen Freund:innen, In Paternal Leave trauert die Hauptfigur um eine verwehrte Vater-Tochter-Beziehung.

In dem Kurzfilm Sous ma fenêtre la boue wiederum geht es um die Trauer angesichts der Trennung der beiden Mütter der Protagonistin: Während die eine Mutter viel zu weit weg ist, ist die andere nun viel zu nah. Mit dem Kurzfilm Beneath Which River Flows gibt es schließlich auch einen Film, der die Trauer um gefährdete Natur thematisiert. Hier ist die enge Freundschaft des Protagonisten Ibrahims zu seinem Büffel zudem ein Beispiel dafür, dass das Programm nicht nur von menschlichen Beziehungen erzählt.

Der Dokumentarfilm Only on Earth berichtet zum Beispiel über galisische Wildpferde, deren Lebensraum durch immer heftigere Waldbrände zunehmend bedroht ist. In Anngeerdardardor sucht Kaali seinen gestohlenen Hund, im Animationsfilm Ran Bi Wa reisen ein Affenjunge und sein Freund, ein Wolf zum „Heiligen Berg“ um das Geheimnis der Wärme zu lüften.

In all diesen Geschichten seien die Tiere und die Natur nie nur Kulisse, sondern zentrale Akteure und Katalysatoren, betonen die Kurator:innen.

Der Kplus-Animationsfilm Space Cadet beruht sogar auf der Beziehung einer jungen Astronautin Celeste zu dem Roboter, der sie aufgezogen hat – ganz ohne Dialog, dafür mit viel Musik, erzählt der Film, wie der Roboter während Celestes erster Mission auf der Erde zurückbleibt, und wie sie trotz einer unendlichen Entfernung durch gemeinsame Erinnerungen verbunden bleiben.

Gemeinsamkeit und Community ist ein weiterer Schwerpunkt des Programms. Die Protagonist:innen würden auf viele verschiedene Weisen erleben, dass Selbstfindung nicht alleine möglich ist, sondern viel mehr durch Community, durch Kontakt mit anderen und Austausch, das berichten die Kurator:innen.

Daye, ein nubischer Albino, der mit der Unterstützung seiner Familie und seiner Lehrerin seinen Traum verfolgt, bei „The Voice“ teilzunehmen (Daye), ein elfjähriger Junge, der seinen Platz in dem Zirkus seiner nomadischen Familie finden will (Zirkuskind), oder die siebenjährige Angel, die als einzige Schwarze Ballerina in ihrem Ballettkurs heraussticht und Halt in einer Community Schwarzer Frauen findet (On a Sunday at Eleven) – sie alle erfahren die Kraft von Community, von Gemeinschaft. Auch in I agries meres mas hat Gemeinschaft eine große Bedeutung: hier schließt sich Chloe einer Gruppe von Jugendlichen an, die einen sehr ungewöhnlichen Ansatz hat, der Ungerechtigkeit und Härte der Welt etwas entgegenzusetzen.

So ist auch nicht zuletzt Rebellion und Handlungsspielraum wichtiger Fokus des Programm. Nicht nur Chloe und ihre Freund:innen spiegeln das wider – auch die Protagonistin des Kurzfilms Ne réveillez pas l’enfante qui dort spiegelt das wieder: Diamant, deren Eltern ihre Träume, Filmemacherin zu werden ablehnen, die schließlich als einen Akt der Rebellion einfach nicht mehr aufwacht.

Und dann gibt es noch Kurzfilme wie Little Rebels Cinema Club – ein Titel, der den Kurator:innen zufolge das perfekte Motto für das diesjährige Programm von Generation wäre.

Es ist ein Programm voller Mysterien. Die Filme eröffnen Fenster in fremde Welten, unerzählte Geschichten und stellen vor allem Fragen. Fragen, auf die es oft keine klare Antwort gibt, und die es uns nicht leicht machen. Die Filme nehmen uns mit in das Leben ihrer Protagonist:innen und finden ganz verschiedene Erzählweisen, ihre Konflikte darzustellen – die Vielfalt reicht von einem animierten Zukunftsentwurf bis zu einer schwarzweißen Kammerspiel-Studie. Das Programm zeigt, was Kino vor allem sein kann: ein geschützter Ort des Ausdrucks, der Rebellion, ein Ort für Community.

Als wir uns nach der Programmvorstellung alle auf den Weg nach Hause machen, freuen wir uns vor allem auch darauf: In zehn Tagen wieder gemeinsam über Filme ins Gespräch zu kommen, neue Filmschätze zu finden, die Leidenschaft für diesen geschützten Ort zu teilen.

Unsere Gedanken schwirren noch irgendwo zwischen den Filmen, und wir können es kaum erwarten, dass es in zwei Wochen endlich losgeht – mit der 75. Berlinale!

  • Leo

    Leo ist 17 Jahre alt, macht gerade sein Abitur und ist für verrückte Ideen immer schnell zu haben. Auch eines kalten Winterabends das allerletzte Screening der Generations-Sektion der Berlinale 2022 zu besuchen, ohne die geringste Vorahnung, was ihn erwartet. Seitdem ist er mit viel Liebe und Begeisterung bei der Berlinale dabei, und dieses Jahr zum zweiten Mal mit den fGR. Leo liebt Filme, interessiert sich besonders für Filmmusik und hat großen Spaß daran eigene kleine Filmprojekte umzusetzen - dieses Jahr freut er sich auf ganz viel neue Inspiration und Begegnungen!

    Alle Beiträge ansehen

Schreibe einen Kommentar zu

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert