Ein liebevolles Portrait von Sisterhood

Eine Kritik zu „Dreams in Nightmares“, der in der Sektion Panorama gezeigt wird. 

Dröhnende Musik, die langsam immer intensiver wird, schallt aus den Lautsprechern. Die ersten Zuschauenden halten sich die Ohren zu. Dazu die schwarz-weiß-Bilder von Feldarbeit und eines Ackerweges, der hinunter gefahren wird. Die Musik spitzt sich immer weiter zu, die Bedrückung ist kaum noch auszuhalten, bis die Musik schlagartig verstummt und das Publikum in den Film entlassen wird. 

Nachdem ihr der Job gekündigt wird, sucht Z ihre zwei engsten Freundinnen in New York auf. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach einer weiteren Freund:in, die sich länger nicht mehr gemeldet hat. Das Publikum wird mitgenommen auf einen Roadtrip durch die USA, der eine tiefgehende und liebevolle Freundschaft zwischen den jungen Frauen porträtiert. Gemeinsam gehen sie feiern, besuchen queere Poetry Slams, schauen bei alten Bekannten und den Eltern der verschwundenen Freund:in vorbei. Skurrile Begegnungen greifen Themen wie den stark verankerten Rassismus im Land oder die Schwierigkeiten der Eltern im Umgang mit dem Pronomen „they“ auf. Durch Gespräche der drei, wie sie auf ihrem Weg nur in Restaurants, die von Schwarzen betrieben werden, essen gehen möchten, wird ihre Sorge vor rassistischer Diskriminierung und schwierigen Auseinandersetzungen deutlich. Auf ihrer Reise werden sie auch mit ihrer eigenen Identität konfrontiert, Lebensentscheidungen werden hinterfragt. Dazwischen immer wieder Traumsequenzen Z’s, welche ihr kulturelles Erbe verdeutlichen. Unbedingt möchte sie der Bedeutung dieser auf den Grund gehen. Eine Reise zur Selbstfindung beginnt. 

Der Umgang der drei untereinander und Z’s zu ihrem Partner ist zutiefst liebevoll. In Telefonaten, in denen die Charaktere direkt mit der Kamera sprechen oder sich gegenseitig im Arm halten, wird eine Nähe aufgebaut, eine selbstverständliche Liebe, in denen man sich gegenseitig bei all seinen Entscheidungen unterstützt, der anderen Person Raum gibt und doch immer füreinander da ist. Selbst wenn eine Person, für die anderen unverständlicherweise, gerade an die Decke geht: Die Protagonistinnen haben Verständnis füreinander. Hier geht es nicht um twisted Beziehungen, sondern um die Darstellung eines Idealbilds.

Dreams in Nightmares läuft zwar nicht in der Sektion Generation, beschäftigt sich aber, wie viele Filme bei 14Plus, mit dem Weg zur Selbstfindung, zur Selbstakzeptanz, mit dem Loslassen gesellschaftlicher Bilder und dem Ausleben eigener Bedürfnisse. Darüber wird ein wunderschönes Bild von Freundschaft gezeichnet, das als Vorbild fungieren kann. Die Figuren im Film mögen zwar mit Anfang 30 etwas älter sein als die „Standardfiguren“ bei 14Plus, aber können gerade für das Publikum Anfang 20 eine Möglichkeit bieten, sie in ihrer Selbstfindung zu unterstützen. Einige der Sequenzen im Film mögen etwas spezieller und unkonventioneller sein, darüber kann man im Gesamtwerk jedoch gut hinwegsehen. 

Wer heute Abend noch nichts vorhat, dem kann ich die Vorstellung um 21:30 Uhr in der Urania ans Herz legen. 

  • Sarah

    Bereits als Kind besuchte Sarah mit ihrer Mutter und Schwester gemeinsam die Berlinale. Seitdem ist Berlinale Generation ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Im Rahmen des Berlinaleprojekts "Junge Journalisten" konnte sie erste Festivalluft schnuppern. 2013 gründete sie mit weiteren Berlinaleenthusiast:innen die freien Generation Reporter:innen. Außerhalb der Berlinale studiert Sarah aktuell im Master in Aachen, spielt E-Bass in einer Band und geht wahnsinnig gerne bouldern.

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