Mit nichts als einem Campingwagen und ihrer Gemeinschaft ausgestattet, zieht eine Gruppe 20-Jähriger über das griechische Land. Niemand bestimmt ihre Route, sie fahren einfach den Straßen entlang. Unterwegs helfen sie Menschen, die in Armut leben, ihre Wäsche zu waschen. Als Chloe (Daphné Patakia) sich in ihrem Zuhause in Athen nicht mehr sicher fühlen kann, bricht sie auf und wird von der Camping-Crew aus dem Auto eines gewalttätigen Mannes gerettet. Von deren Gemeinschaft inspiriert, entscheidet sie sich, ihnen für ein Stück zu folgen.
I Argries Meres Mas fühlt sich nach dem ultimativen Roadtrip-Movie an. Mit wunderschönen und warmen Bildern des griechischen Sommers bringt Regisseur Vasilis Kekatos seine Utopie von Jugend auf die Leinwand. Er belebt eine Idee von Gemeinschaft wieder, die in unserer modernen Gesellschaft verloren gegangen zu sein scheint. Die Gruppe lebt zumindest in Teilen abseits gesellschaftlicher Konventionen, ohne Handys, teilt alles und tanzt nachts auf Drogen um ein Lagerfeuer am Strand. „Stamm“ ist das Wort, das der Pressetext des Verleihs für diese Idee von Gemeinschaft findet. Wenn Chloe und ihre Freunde in einer Einstellung im grünen Wald, wie eine Gruppe Wölfe um ihren Campingwagen herumschleichen, scheint es, als wollte Kekatos an unser urmenschliches Bedürfnis nach Nähe erinnern, das in diesem Wort mitschwingt.
Sollten alle Menschen auf diese Art zusammenleben oder fühlt sich so einfach nur jugendlich sein an? Meine Jugend in Berlin ist auf jeden Fall eine andere, doch auch im Gespräch nach dem Film scheinen vielen Zuschauenden vor allem das Lebensgefühl und die Freiheit, mit der die Gruppe reist, im Kopf geblieben zu sein. Doch selbst der Titel des Films Our wildest days, blickt auf dieses Lebensgefühl wie auf einen Abschnitt, einen Teil des Lebens, der irgendwann zu Ende geht.
Und so harmonisch bleibt die Geschichte natürlich nicht. Denn um gegen die Armut anzukämpfen, ist die Gruppe bereit, auch mit anderen gesellschaftlichen Konventionen zu brechen. Vielleicht gibt es gar kein von der Europäischen Union gefördertes Projekt zur Armutsbekämpfung. Die Gruppe bricht in Pfändungshäuser ein und gibt den Menschen, die ihr letztes Hab und Gut verkauft haben, um überleben zu können, ihr ehemaliges Eigentum zurück. Neben Jugend und Gemeinschaft thematisiert er so auch die sich immer weiter ausbreitende Armut auf dem griechischen Land. Die hinter den Überfällen stehende Gewalt eskaliert im Laufe des Films noch weiter, wird allerdings kaum reflektiert. Nachdem die Gruppe einen Unternehmer entführt und zusammengeschlagen hat, blickt Chloe lediglich für ein paar Szenen traurig vor sich hin, macht dann aber weiter, als wäre nichts geschehen.

„The only act of rebellion left to us, is tenderness.“, sagte der Regisseur Vasilis Kekatos im Q&A nach dem Film. Während das auf die Dynamik innerhalb der Gruppe definitiv zutrifft, ist der Film vielleicht auch eine Warnung, sich nicht von dem Gefühl der Gemeinschaft mitreißen zu lassen und zu vergessen, wer sonst noch so auf der Welt lebt. Ob man nun Unternehmer ist oder im Campingwagen umherzieht.
