“The best we can hope for is being treated as zoo animals.”

A review of Cryptozoo.

Atmosphärisch, fast ein wenig mystisch, wabern die Klänge eines Flügelhorns durch den animierten Wald, in dem zwei junge Erwachsene den Beginn dieser Geschichte ebnen. Recht bald stoßen sie auf einen Zaun. Wartet hinter diesem Zaun vielleicht ein besseres Leben? Eine Utopie?

Im dem hinter dem Zaun gelegenen Cryptozoo können Cryptids sorgenfrei leben. Cryptids sind Fabelwesen, die häufig in der griechischen Mythologie ihren Ursprung finden. So gibt es beispielsweise einen Greif, eine Kombination aus Löwe und Raubvogel, aber auch einen Mantikor, eine Kombination aus Skorpion und Löwe. Viele der Cryptids sind halb Mensch, halb Fabelwesen. In der Außenwelt werden sie verfolgt, ermordet oder ausgenutzt. Laut der Betreiberinnen ist der Cryptozoo eine Art “Sanctuary”, ein Zufluchtsort, an dem Cryptids sorgenfrei leben können.

Cryptozoo nutzt Möglichkeiten, die allein durch die Machart von Animationsfilmen erst möglich werden, gekonnt, um wichtige Elemente hervorzuheben und Unwichtiges außen vor zu lassen. Einzelne Bilder und Symbole untermalen das Gesagte und die Fragen, die aufgeworfen werden. Mal werden ganze Szenerien gezeigt, mal dominieren einzelne Personen oder Objekte. Eine Symbiose zwischen Bildern und Musik entsteht, die in nicht animierten Filmen so ohne Weiteres nicht erreicht werden könnte. Die Aufmerksamkeit des Publikums wird gekonnt eingefangen und die Handlung kurzweilig vermittelt. Während die Animationsart an sich ein wenig gewöhnungsbedürftig ist, beschönigt sie nichts. Ein wenig skurril, ist sie aber in sich stimmig. Abgeklärt zeigt sie die Brutalität, nutzt diese Distanz, die durch die Art der Animation ausgelöst wird, um zu vermitteln und zu schockieren. Wieder einmal stellt sich die Frage: Warum sind Menschen so furchtbar? Warum müssen sie immer alles anrühren und zerstören? Kann man nicht mal zurücktreten und Dinge unentdeckt oder unangetastet lassen?

Die Storyline erinnert an eine Kombination aus “Jurassic Park” und einem Agent:innen-Film: Auf der Suche nach einem besonderen Cryptid begeben sich die Hautpcharaktere auf eine Reise, auf der sie düstere Abenteuer erleben, unterschiedliche Aspekte dieser Welt beleuchten und zuletzt der Fortbestand dieser “Utopie” auf dem Spiel steht. Im Gegensatz zur düsteren Außenwelt soll der vermeintlich sichere Cryptozoo den Cryptids helfen, geschützt zu leben. Doch auf dem Gelände geht es eher zu wie auf dem Jahrmarkt. Man müsse sich schließlich finanzieren und das zur Schau stellen gehöre eben dazu.

Trotz oder gerade wegen der positiven Darstellung und vermutlich auch positiven Intention der Cryptozoo-Betreiberinnen werden schon früh Fragen aufgeworfen: Stellt so ein Zoo wirklich die Lösung dar, wie Inklusion schließlich erreicht werden kann? Dadurch dass man sich langsam an die Cryptids “gewöhnen” kann? Durch eine Abgrenzung von der Außenwelt, wodurch die Cryptids wie Zootiere behandelt werden, aber immerhin sicher sind. Sicher vor den Menschen, die sie verachten, die Angst vor ihnen haben und sie deswegen verfolgen. Ist dieses zur Schau gestellt werden also besser als die Ausgrenzung oder Verfolgung? Trägt nicht genau das dazu bei, dass Cryptids immer als anders erachtet werden? Oder ist dies letztendlich eine Barriere, die nicht überwunden werden kann oder sogar sollte? Wie können die auseinandergehenden Ziele zwischen kurzfristiger Sicherheit und langfristiger Integration unter einen Hut gebracht werden?

Während die Geschichte an sich von der Handlung her nicht viel Neues bringt, so ist doch insbesondere die Machart hervorzuheben, die es erlaubt, sich mit einer solch schweren Thematik auf andere Art und Weise auseinanderzusetzen. Etwas abstrakter, aber dennoch nicht weniger bedrückend. Mit gesellschaftlichen Fragen, die jeden Tag wieder neu von Belang sind.

Ein wenig abgeschreckt von der Animationsart hätte ich persönlich mir den Film vermutlich selber nicht ausgesucht. Allerdings lässt sich schnell darüber hinwegsehen. Die vielen Analogien lassen bedrückt über das doch recht negative Menschenbild zurück, aber regen zur Reflektion an und lassen eigene Interpretationen zu. Wir verbleiben mit der Hoffnung auf eine friedliche Co-Existenz.

05.06.2021, Sarah Gosten

  • Sarah

    Bereits als Kind besuchte Sarah mit ihrer Mutter und Schwester gemeinsam die Berlinale. Seitdem ist Berlinale Generation ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Im Rahmen des Berlinaleprojekts "Junge Journalisten" konnte sie erste Festivalluft schnuppern. 2013 gründete sie mit weiteren Berlinaleenthusiast:innen die freien Generation Reporter:innen. Außerhalb der Berlinale studiert Sarah aktuell im Master in Aachen, spielt E-Bass in einer Band und geht wahnsinnig gerne bouldern.

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