Zwischen Schuttbergen und Sexismus

A review of Xiao Ban Jie.

Schuttberge überall. Daneben große Wolkenkratzer einer Metropole. Und zwischen den Schuttbergen der 14-jährige Li Xing und sein Kumpel Song Yang, die dort nach der Schule ihre Zeit verbringen, in einem Tunnel Zuflucht suchen, um den Mobbern zu entgehen. Ihr Zuhause nur wenige Hundert Meter davon entfernt. Sobald alle Bewohnenden sich haben abfinden lassen sollen auch diese Gebäude abgerissen werden, um neuen Wolkenkratzern zu weichen. Die Mutter verdient geringen Lohn und wird recht bald gefeuert. Alles in allem keine einfache Situation.

© Liu Yaonan

Li Xing und Song Yang zeigen erstes Interesse an Frauen. Sie besuchen einen Friseur, in dem Song eine Frau an den Brüsten berührt, woraufhin die beiden Jungs aus dem Laden geschmissen werden. Li Xing selbst versteckt sich im Büro des Mädchens, in das er verliebt ist, hinter einem Vorhang, um in Kontakt mit ihr zu kommen. Er läuft ihr hinterher, missachtet mehrere Zurückweisungen von ihr, dass er sie in Ruhe lassen soll, drängt sich ihr in einer Bahn immer weiter auf. Der beunruhigte Blick ihrerseits und dass sie immer weiter zurückweicht und sichtlich nicht mit ihm in Kontakt sein möchte, wird nicht ernst genommen. Irgendwann lässt sie sich dann doch erweichen. All das ist leider sehr problematisch!

Genau solche unterschwelligen Darstellungen sind es nämlich, die Männern aller Orts das Gefühl geben, sie müssten und könnten einfach nur die von Frauen gesetzten Grenzen überschreiten, um die jeweilige Person zu erobern. Auch wenn die Übergriffe in diesem Film vermeintlich harmlos erscheinen, ist es dieses Grundverständnis, wie gegenüber Frauen umgegangen wird — und dass diese dies akzeptieren und am Ende die belästigende Person dann eben doch mögen, was verheerende Konsequenzen einer frauenfeindlichen Welt mit sich bringt. 

Es ist in Ordnung solch ein Verhalten darzustellen, aber es muss dann entsprechend eingeordnet werden. Gerade wenn dieser Film einem so jungen Publikum präsentiert wird, was es im Zweifelsfall noch nicht so einordnen kann.

Alles in allem erscheint Li Xing dadurch unsympathisch, sich aufdrängend, Grenzen nicht verstehend und an sich auch echt unheimlich, wie er Frauen anstarrt und ihnen bis zu ihrem Zuhause hinterherläuft. 

Abgesehen davon bringt der Film recht wenig Handlung mit sich — was an sich nicht schlecht sein muss, da so etwas genutzt werden kann, um den Emotionen der Hauptcharaktere Raum zu geben. Leider hatte ich hier nicht diesen Eindruck. Schlüsselmomente, in denen beispielsweise Song sich so stark verletzt, dass er im Krankenhaus landet, werden nur oberflächlich thematisiert. Eine tiefere Auseinandersetzung mit den Emotionen des jungen Protagonisten erfolgt nicht — oder nur auf eine Art, wie ich sie nicht verstehen kann. Die vielen Traumsequenzen sind verwirrend und zusammenhangslos. Das Szenenbild wiederholt sich viel — ständig steigt der Junge in den Tunnel hinab —, ohne dabei viel Neues zu bieten. Sicherlich hat sich der Regisseur Liu Yaonan so einiges bei seinem Film gedacht. Leider kommt davon nicht so viel beim Publikum an. Verwirrung bleibt zurück, und die Frage, was man hier gerade gesehen hat. 

Alles in allem also ein Film, der aufgrund der frauenfeindlichen Grundhaltung, einem schwierigen Hauptcharakter sowie des filmischen Gesamtbildes nur schwer zu ertragen ist. 

  • Sarah

    Bereits als Kind besuchte Sarah mit ihrer Mutter und Schwester gemeinsam die Berlinale. Seitdem ist Berlinale Generation ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Im Rahmen des Berlinaleprojekts "Junge Journalisten" konnte sie erste Festivalluft schnuppern. 2013 gründete sie mit weiteren Berlinaleenthusiast:innen die freien Generation Reporter:innen. Außerhalb der Berlinale studiert Sarah aktuell im Master in Aachen, spielt E-Bass in einer Band und geht wahnsinnig gerne bouldern.

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