Was für aufregende letzte Tage! So viele bewegende Momente, schöne spannende Filme und starke tolle Gespräche hatte ich, alles Dank der Berlinale. Und trotzdem bin ich ein bisschen sauer und enttäuscht. 14 Generationfilme habe ich bis jetzt geschaut, ich weiß, das ist lange nicht genug um sich ein Gesamtbild der Sektion zu machen und doch, sind mindestens 3 Filme dabei, gegen die ich ganz schön was auszusetzen habe. Nicht vom eigentlichen Thema her, alles spannende und sehr wichtige Inhalte, es geht mir um die Darstellung bestimmter Dinge. Wie kann es sein, dass auf einem so renommierten Festival einige Filme laufen, die anscheinend keinerlei oder kaum einer moralischen Prüfung unterzogen wurden? Geht es nicht darum, Menschen eine Bühne oder Stimme zu geben und nicht darum, diese zu nehmen und zu missbrauchen?
Ich rede nicht darüber, ob mir ein Film persönlich nicht gefällt oder ich keine Verbindung zu einem Thema spüre, sondern darüber, wie es sein kann, dass ein Film wie 2040 läuft, in dem ein ach so toller Papa „seiner Tochter zur Liebe“ um die Welt reist und sie dabei für ein Jahr mit der Mutter alleine lässt, um Aufnahmen von dunkelhäutigen Menschen in unbestimmten Ländern zu machen, auf denen sie lachen, spielen, sich über das Leben freuen und diese dann ganz zusammenhangslos und ohne den Menschen eine Stimme zu geben in den Film schneidet? Seine Tochter in einer fiktiven Zukunft dafür lobt, dass sie hochnäsig ihren Strom für Hurricaneopfer spendet? Die Lösung der Probleme durch den Klimawandel dadurch sieht, dass Mädchen bessere Bildung erlangen und damit weniger Kinder bekommen? Junge Frauen gar nicht zu Wort kommen lässt, aber sie und ihre Gesichter mit „starken Blicken“ in ein kitschiges Ende schneidet?
Wie kann es sein, dass in „By The Name Of Tania“ zwei niederländische Regisseurinnen einen Film in Peru machen, der auf Geschichten von Frauen mit schwerer Vergangenheit basiert, ohne dabei mit diesen Menschen kommuniziert zu haben, sondern stattdessen, wie im Publikumsgespräch erzählt, den für diese Schicksale verantwortlichen Polizisten „seducen“ (so wörtlich) bis er ihnen die Harddrive mit allen detaillierten Geschichten der ausgenutzten Frauen gibt? Sie daraus dann einen fiktiven Handlungsstrang schaffen, ohne je mit den echten Menschen Rücksprache zu halten und ihnen damit ihre Selbstbestimmung, Stimme und Respekt nehmen anstatt zu geben. Um dann auch noch beim Gespräch neben der Schauspielerin zu stehen und über diese zu berichten, dass sie aus einem Heim kommt und in den Film passt, weil sie eine ähnliche Vergangenheit hinter sich hat und dort alle keine Zukunft haben und kaputt sind. Es mag sich um Realitäten handeln, aber das kann die Person doch bitte selber berichten, dafür gibt es ja einen Übersetzer*in.
Wie kann es sein, dass ein Film wie Goldie läuft, ein Film, in dem die junge, dunkelhäutige Hauptfigur aus den USA mit all ihren stigmatisierten Problemen (drogensüchtige Mutter die ins Gefängnis kommt, gewalttätiger Stiefvater und Exfreund, abwesender Vater mit neuer, nicht unterstützende Freundin..) ganz ohne Charakter (der einzig spürbare Charakter oder Stärke der Protagonistin erfolgt durch ihr Aussehen) unfassbar oberflächlich dargestellt wird, ohne auch nur irgendwie sensibel gegenüber der schweren Thematik zu sein? Übrigens wird von einer „männlichen, weißen“ Person aus den Niederlanden Regie geführt.
Und wo bleiben Filme, die LGBTQ+-Geschichten erzählen?
Es kann sein, dass ich falsch liege, ich kenne nicht alle Hintergründe hinter einem Film, vielleicht habe ich Dinge falsch wahrgenommen oder falsch interpretiert. Und es gibt ohne Frage auch sehr gute Filme im Programm und oben genannte haben nicht nur diese negative Seite. Und doch, sind es auch wenn es nur 3 Filme sind, die mir suspekt erscheinen, sind das meiner Meinung nach schon viel zu viele. Und ich frage mich, ob es etwa keine anderen Filme gibt, die wichtige Themen wie Rassismus und Armut und Klimawandel und Menschenhandel und Prostitution sensibel behandeln.
Es tut mir weh. Und ich fände es toll, all diese wichtigen Themen, über die ich ja selber noch soooo viel lernen muss, mal zu diskutieren, mit anderen Menschen, mit Regisseur*innen, Filmemacher*innen, Gleichaltrigen, Andersdenkenden. Wäre es nicht wundervoll, neben den Screenings auch Diskussionen auf Augenhöhe zu eröffnen? Sich organisiert zu treffen um über all die wichtigen Themen, von denen die Filme ja handeln, zu reden? Konkrete Kritik in einem Publikumsgespräch an ein einziges Filmteam zu richten finde ich sehr schwierig, aber wie wäre es, gemeinsam zusammen zu kommen und zu reflektieren? Sich zu fragen, ob die Botschaft bestimmter Filme nicht längst überholt ist oder auch, um einfach so Gespräche über bestimmte Themen zu führen.
14/02/19, Carlotta Saumweber
What I want to criticize about the Berlinale
What exciting days I had already! During the last days I had so many moving experiences, watched beautiful catching films and had the most interesting conversations, all thanks to the Berlin Film Festival. Nonetheless I am a bit angry and disappointed. Until this point, I watched 14 Generation-movies. I am aware, that that is too few to have an opinion about the whole section, yet still I found at least three movies that I really have to criticize. Not because of the subject they are dealing with, those are all interesting and very important to be aware about, but because of the way some things are portrayed. How can it be, that we are talking about such a renominated festival and still it seems, that some movies haven’t been really checked for moral correctness? Isn’t the Berlinale about giving people an audience and voice and not about misusing and taking both things away?
I am not talking about personally liking or disliking a film or about having a connection to certain topics, but I am asking myself, how it can be, that there are screenings of a movie like 2040. A movie, where an oh so wonderful dad travels around the world “for his daughters sake”, leaving her alone with her mom for one year, to record people with dark skin in unspecified countries laughing, playing, enjoying life and then cutting all this without any context and without actually giving them a voice to speak in the movie? Where he compliments his daughter in a fictive future for arrogantly donating electricity for hurricane victims? Where the grand solution for climate change is to enable girls to be educated, so they will not have as many children? Where young women don’t get a chance to speak, but their faces and “meaningful glances” are used for a corny ending?
How can it be, that for “By The Name Of Tania” two dutch directors go to Peru to make a movie based on the stories of women with a difficult past, without ever talking to them, but instead, as told in the Q&A after the movie, “seduce” (that’s what they literally said) the policeman in charge of those hard fates until he gives them a hard drive containing all detailed stories of the abused women? They then create a fictional storyline out of it without getting the consent of the real people and therefore taking away their self-determination, voice and respect instead of giving them those things. Just to then stand next to the actor chosen for the film in the discussion and present, that she is living in an asylum and was good for the role, cause she went to similar things in the past and that there, they have no future and are very broken. That might very well be the reality, but the person can please tell those personal things on her own, that’s why there is a translator on the stage.
How is it possible, that I watched a move like Goldie, a film, where the young, female, dark-skinned, american main character with all her stigmatized problems (drug abuse of the mother who gets locked up, violent step dad and ex-boyfriend, absent real dad having a new girlfriend who is not supportive at all..) is portrayed without any character (the only personality or strength is shown by her gorgeous looks) in an extremely superficial way, without being sensitive about this heavy subject at all? By the way, the movie is directed by a “white, male” person from the Netherlands.
And where are the movies, that are telling LGBTQ+ stories?
It might be, that I am wrong, I don’t know all the background information of the movies, maybe my perception of certain things is wrong or badly interpreted. And of course, there are many wonderful movies shown in the section and those above do not only have negative things to be said about them. Yet still, 3 movies that I find very suspicious, are way too many in my opinion. And I am asking myself, if there aren’t any other films available dealing with topics like racism, poverty, climate change, human trafficking and prostitution in a sensitive way.
It hurts me. And I would love to discuss all those very important topics, since I myself have sooo much to learn about them. I’d love to speak with other human beings, directors, film makers, peers, dissidents. Wouldn’t it be wonderful, to open up discussions on eye level on top of the screenings? To have organized meetings in order to talk about all the important subjects, that all movies are definitely about? I find it hard to directly criticize one single film crew during the Q&A, but how would it be, to come together and reflect in a group? To ask ourselves, if the message of certain movies isn’t quite outdated or just to get to have conversations about certain things?
