Kooperieren vs. konkurrieren

„Weißt du was noch viel schöner ist als der Kuss selbst? – Die drei Sekunden davor.“

303 ist ein Film, der einen nostalgisch im Kinosessel zurücklässt. Und das kann ich angesichts meines Alters nicht aufgrund von unzähligen Erfahrungen sagen, auf die ich zurückblicke. Nostalgisch in dem Sinne, dass man dieses Gefühl kennt, wenn man jemanden ganz neu kennenlernt. Da ist diese anfängliche Schüchternheit, diese Unkenntnis, aber gleichzeitig auch Neugier über den Charakter und das Leben der anderen Person. Umso schöner kann der Weg sein, all die Dinge herauszufinden, manche, die dem anderen ganz einfach über die Lippen kommen und manche, die erst mit der Zeit langsam zum Vorschein kommen.

Das sind dann meist die intimsten, tiefgründigsten Gedanken, die einem das Gefühl geben, jemanden wirklich gut zu kennen. Erst dann, wenn man sein Gegenüber mit all seinen Facetten kennt, kann man beginnen, jemanden aufrichtig lieben. Etwas noch besondereres ist es, wenn sich dieser Weg zweier zufällig aufeinander treffender Personen auf einer gemeinsamen Reise in einem Wohnmobil durch Europa gestaltet.

303 überzeugt mit authentischen Dialogen und intensiven Diskussionen über politische Ideologien, Monogamie und neue Evolutionstheorien der Menschheitsgeschichte. Wie der Regisseur im Anschluss erzählt, rührt diese extreme Authentizität von einerseits einer guten Vorbereitung und andererseits vom Talent der beiden Hauptdarsteller und deren Fähigkeit, zu improvisieren. Dialoge wurden so lange wiederholt, bis sie natürlich klangen und nahezu perfekt waren. Auch die chronologische Abarbeitung des Drehbuchs half den Schauspielern, sich mit den Charakteren zu identifizieren und letztendlich immer mehr mit ihnen zu verschmelzen.

Ein Film, der abgesehen von der schauspielerischen Leistung, wunderschöne Landschaften zeigt und in vielen Zuschauern Fernweh auslöst. Hans Weingartner spielt entweder ganz bewusst oder unbewusst mit diversen natürlichen Lichtquellen und taucht seinen Film so, je nachdem in welchem Land sich Jan und Jule gerade befinden, in eine der Stimmung entsprechende Atmosphäre. Abgesehen von seiner Länge – die meiner Meinung nach etwas kürzer hätte sein sollen – ein sehr realitätsnaher, authentischer und empfehlenswerter Film.

Vivien Krüger, 17.02.18

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