Planlos durch Madagaskar

Eine Kritik zu Disco Afrika

Der erste madagassische Film bei Generation ist gleichzeitig ein wichtiger Meilenstein für Madagaskar und eine Enttäuschung für mich. Durch meinen persönlichen Bezug zum Land habe ich mich besonders über die Repräsentation des Inselstaates gefreut. Nach einer Woche im Kino bleibt mir jedoch recht wenig von Disco Afrika in Erinnerung.

Regisseur Luck Razanajaona thematisiert die Saphirminen, welche die madagassische Regierung immer häufiger an ausländische Firmen und Einzelpersonen verkauft. Auch wenn der Film den 20-Jährigen Kwame (Parista Sambo) begleitet, könnte er ebenso deutlich jünger oder älter sein, ohne viel an der dargestellten Lebenssituation zu ändern. Viele Einwohner:innen Madagaskars verrichten harte körperliche Arbeit für wenig Geld, im Falle der Saphirminen häufig illegalerweise und unter Todesgefahr. Die Zukunftsaussichten sind düster. Korruption sorgt dafür, dass das Land eines der ärmsten der Welt bleibt. Auf dem Human Development Index (HDI) belegt Madagaskar Platz 173 von 191 [Statistisches Bundesamt].

© We Film

Im Verlaufe des Filmes werde ich nicht wirklich mit Kwame warm, fühle immer eine gewisse Distanz zwischen den Figuren und der Kamera. Gleichzeitig fällt es mir schwer, einem roten Faden zu folgen. Der Anfang wirft uns in den Alltag der Minenarbeitenden, nur um diesen überstürzt wieder zu verlassen und in der Stadt zu landen. Ein alter Kindheitsfreund erscheint, Kwame sucht Antworten über den Tod seines Vaters, der bis zu seinem Tod Aktivist war. Gegenwart und Vergangenheit werden wild durcheinandergeworfen. Auf einmal bekommt die Musik eine tragende Rolle, denn der verstorbene Vater war Musiker. Gleichzeitig muss Kwame sich zwischen schnellem Geld und seinem eigenen Land entscheiden. Es fehlt an Konsequenz und Dramaturgie. Vieles wird angeschnitten aber nicht vollständig ausgeführt. Ich frage mich, ob Razanajaona selbst wusste, wo er mit Disco Afrika eigentlich hinwollte.

Es ist wohl eine Hommage an sein Heimatland, das er in Kontext zum restlichen afrikanischen Kontinent setzen möchte. Ich fühle mich häufig an meine Madagaskarreise zurückversetzt und finde das Land authentisch dargestellt, zumindest wie ich es in Erinnerung habe. Trotzdem finde ich keinen Zugang zur Geschichte, weder durch Bilder noch durch Musik oder Dialoge. Eines tut der Film: Aufrütteln und auf die politische Lage des Landes aufmerksam zu machen. Ich wünschte, ich könnte dabei auf alternative Filme verweisen, aber die Auswahl nicht in ohne Grund mau und im nächsten Schritt ist kaum Zugang zu den wenigen Alternativfilmen gegeben. Vielleicht bleibt also Disco Afrika vorerst der beste Einstieg in madagassisches Leben auf der großen Leinwand.

Empfehlung

Allen, die sich für die Bildung madagassischer Kinder und Jugendlicher stark machen möchten, sowohl in Kontext mit Disco Afrika als auch unabhängig davon, möchte ich das Schülerzentrum Alabri vom ehrenamtlichen Verein Ny Hary ans Herz legen. Ich konnte mich bereits vor Ort von der Arbeit des Vereins überzeugen und kann guten Gewissens sagen, dass hier Hilfe zur Selbsthilfe geboten wird. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen mittels Bildung eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Das Kursangebot und die Betreuung vor Ort liegen in madagassischer Hand. Seit der Gründung 2004 wurden viele Jugendliche erfolgreich zum Schulabschluss begleitet, beim Studium unterstützt und momentan befindet sich ein neues Projekt im Aufbau, welches den Übergang zwischen Ausbildung und Arbeitsalltag erleichtern soll. Finanzielle wie ehrenamtliche Unterstützung sind wertvoll für das Projekt und die madagassischen Jugendlichen vor Ort.

  • Johanna

    Johanna, 24, geht schon seit sie denken kann mit ihrer Schwester auf die Berlinale. 2013 wurde sie zum Gründungsmitglied der freien Generation Reporter:innen. Wenn sie nicht gerade über die Filme und Hintergründe des Generationprogramms schreibt, singt sie im Chor und verschlingt ein Buch nach dem anderen. Nebenbei studiert sie auch im Master Ernährungsmedizin in Lübeck.

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