Die Schießerei, die Norwegen erschütterte

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22. Juli 2011, später Nachmittag auf Utøya, Norwegen. Das Sommercamp der Jugendgruppe AUF, die mit der regierenden Labour Party assoziiert wird, ist im vollen Gange. Knapp 600 Jugendliche nehmen Teil. Dass anderthalb Stunden später 69 tot und mindestens 110 verletzt sind, ahnt noch niemand.
Campleiterin Monica Bøsei empfängt einen Besucher auf der Insel, der sich als Polizeibeamter Martin Nilsen ausgibt. Als sie misstrauisch wird und den Sicherheitsdienst informiert, findet Anders Behring Breivik sein erstes Opfer im Utøya-Massaker.

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Keine zwei Stunden zuvor hatte er bereits eine Bombe im Osloer Regierungsviertel deponiert, bestehend aus etwa 950 kg Düngemittel und anderen Chemikalien, die er über Monate hinweg für diesen Zweck angeschafft hatte. Es starben 8 Menschen, 209 wurden verletzt. Doch während die Polizei in Oslo mit der eigenen Stadt beschäftigt war, machte sich Breivik auf zu der Insel im Süden Norwegens, die bald zum Schauplatz des tödlichsten Massakers in Norwegen seit dem Zweiten Weltkrieg und zum weltweit tödlichsten Amoklauf einer Einzelperson werden würde.

Breivik versammelt die nichts ahnenden Jugendlichen um sich – und eröffnet das Feuer. Dass sich die zwei Personen, die er vor allem mit dem Angriff treffen wollte, gar nicht mehr auf der Insel befinden, ist ihm gleich. Eskil Pedersen, Leiter der AUF, rettete sich nach den ersten Schüssen auf die Fähre, mit der Breivik angekommen war, und fuhr mit sieben weiteren Menschen davon, was es der Polizei später eindeutig erschwerte, zur Insel zu gelangen. Die ehemalige Premierministerin Gro Harlem Brundtland hatte die Insel nach einer Rede an die Campteilnehmer früher am Tag bereits wieder verlassen.

Eine ganze Stunde dauert der Albtraum. Viele versuchen über den See zu entkommen, doch Breivik schießt auch auf die Schwimmenden. Verletzte, die bereits am Boden liegen, stellen sich tot, doch Breivik schießt erneut.

Während Breivik Tod und Leid verbreitet, scheint die Rettungsmission an allen Ecken und Enden verhindert. Es gibt keinen Helikopter in Norwegen, der eine Polizeitruppe für einen Fallschirmsprung auf die Insel hätte transportieren können. Die Osloer Antiterrorpolizei muss also mit dem Auto fahren. Die Fähre nach Utøya ist durch Pedersen und die anderen Menschen an Bord weit von der Insel entfernt, sodass auch die lokale Polizei Schwierigkeiten hat, auf die Insel zu gelangen.
Es liegt an Anwohnern und Campenden in der Umgebung, die Kinder und Jugendlichen aus dem Wasser zu retten, so fern sie es geschafft hatten, sich aus der Schussweite Breiviks zu entfernen. Darunter ist unter anderem Marcel Gleffe, ein in Norwegen lebender Deutscher, der sich bis auf 20 m an die Küste Utøyas wagt und nach der Rettung von ungefähr 30 Jugendlichen mit diversen Ehrungen ausgezeichnet wird.

Als eine Stunde später endlich die Antiterrorpolizei eintrifft, kapituliert Breivik und das Morden hat ein Ende.

Hintergrund des Terroranschlags waren religiöse und politische Motive. Breivik war ausgesprochen islamophob und sprach sich gegen Immigration aus. Seine Taten beschrieb er später als ”grausam, aber notwendig”. Wenige Stunden vor seinem Bombenanschlag in Oslo schickte er ein über tausendseitiges Manifest an etwa tausend Email-Adressen, in dem er seine Absichten und Pläne für ein Islam-freies Europa durch schrittweise Deportation von Muslimen von 2011 bis 2083 darlegte. Nach anfänglicher Einstufung als strafrechtlich unzurechnungsfähig wurde er im Laufe seines Prozesses als vollzurechnungsfähig eingestuft. Dies war auch sein Hauptanliegen, da ansonsten die Bedeutung seiner Message verloren gegangen wäre. Im August 2012 wurde er zu 21 Jahren Haft verurteilt, die immer wieder um fünf Jahre verlängert werden können, solange er als Bedrohung für die Gesellschaft eingestuft wird.

Was mit der Insel Utøya passiert, ist heute noch unklar. Zwar liegen Pläne des AUF vor, die Insel umzubauen und wieder zu nutzen, doch es liegen von etwa 200 Überlebenden und den Angehörigen der Verstorbenen Petitionen vor, die Insel als Denkmal für die Opfer ruhen zu lassen.

Wie sich einige der Überlebenden nach nun über sieben Jahren fühlen, wird im Film Rekonstruktion Utøya eingefangen.

12.02.2019, Johanna Gosten

The mass shooting that rocked Norway

22 July 2011, late afternoon on Utøya, Norway. The summer camp of the youth group AUF, which is associated with the governing Labour Party, is in full swing. Almost 600 young people are taking part. Nobody suspects that one and a half hours later 69 will be dead and at least 110 injured.
Camp leader Monica Bøsei welcomes a visitor to the island who poses as police officer Martin Nilsen. When she becomes suspicious and informs the security service, Anders Behring Breivik finds his first victim in the Utøya massacre.

Less than two hours earlier he had already deposited a bomb in the Oslo government district, consisting of about 950 kg of fertiliser and other chemicals, which he had purchased over several months for this purpose. 8 people died and 209 were injured. But while the police in Oslo were busy with their own city, Breivik set off for the island in southern Norway, which would soon become the scene of the most deadly massacre in Norway since the Second World War and the world’s deadliest single gunman mass shooting.

Breivik gathers the unsuspecting youth around him – and opens fire. He doesn’t care that the two people he wanted to hit with the attack in the first place are no longer on the island. Eskil Pedersen, head of AUF, saved himself after the first shots to the ferry with which Breivik had arrived and drove off with seven other people, which later made it clearly more difficult for the police to get to the island. Former Prime Minister Gro Harlem Brundtland had left the island earlier in the day after a speech to the campers.

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The nightmare lasts an hour. Many try to escape across the lake, but Breivik also shoots at the swimmers. Injured people already lying on the ground pretend to be dead, but Breivik shoots again.

While Breivik spreads death and suffering, the rescue mission seems to be prevented at every turn. There is no helicopter in Norway that could have transported a police force to the island for an airdrop. So the Oslo anti-terror police have to drive. The ferry to Utøya is far away from the island due to Pedersen and the other people on board, so the local police also have difficulties getting to the island.
It is up to local residents and campers to rescue the children from the water, as soon as they have managed to get out of Breivik’s shooting range. Among them is Marcel Gleffe, a German living in Norway, who advances up to 20 m to the coast of Utøya and after the rescue of about 30 young people is awarded with various honours.

When an hour later the anti-terror police finally arrives, Breivik surrenders and the killing comes to an end.

Background of the terror attack were religious and political motives. Breivik was extremely Islamophobic and spoke out against immigration. He later described his actions as „atrocious but necessary“. A few hours before his bomb attack in Oslo, he sent a thousand-page manifesto to about a thousand email addresses in which he set out his intentions and plans for an Islam-free Europe through the gradual deportation of Muslims from 2011 to 2083. After being initially classified as criminally insane, he was later classified as sane. This was also his main concern, as otherwise the significance of his message would have been lost. In August 2012, he was sentenced to 21 years in prison, which can be infinitely extended by five years as long as he is considered a threat to society.

What will happen to the island of Utøya is still unclear today. There are plans by AUF to rebuild and reuse the island, but there are petitions from about 200 survivors and the families of the deceased to let the island rest as a memorial to the victims.

How some of the survivors feel after more than seven years is captured in the film Rekonstruktion Utøya.

12.02.2019, Johanna Gosten
  • Johanna

    Johanna, 24, geht schon seit sie denken kann mit ihrer Schwester auf die Berlinale. 2013 wurde sie zum Gründungsmitglied der freien Generation Reporter:innen. Wenn sie nicht gerade über die Filme und Hintergründe des Generationprogramms schreibt, singt sie im Chor und verschlingt ein Buch nach dem anderen. Nebenbei studiert sie auch im Master Ernährungsmedizin in Lübeck.

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