Staatenlos

Eine Kritik zu Maydegol.

Ein Mädchen, komplett in schwarz gekleidet, hämmert an ein Tor. Sie fleht den Besitzer an, sie einzulassen und ihr Arbeit zu geben. Doch auch auf das Tor zu klettern, um ihrem Gesuch Gewicht zu verleihen, stößt auf Ablehnung. Frustriert springt sie herunter, richtet ihr Kopftuch und rennt los, zur Apfelfarm, auf der sie bereits regelmäßig arbeitet. Danach gehts weiter zum nächsten Job auf einer Pilzfarm. Spät abends kommt sie nach Hause, wird dort regelmäßig Opfer häuslicher Gewalt durch den Vater. Doch Maydegol hat einen Traum. Sie möchte professionelle Muay-Thai-Boxerin werden und in die Nationalmannschaft aufgenommen werden. Leider scheint dieser Traum Lichtjahre entfernt.

Maygedol kommt aus Afghanistan und ist mit ihrer Familie in den Iran geflohen. Weder sie noch ihre Freundinnen haben einen Pass, müssten dafür illegal nach Afghanistan reisen, was unter den dortigen Umständen viel zu gefährlich ist. Sie leben als Staatenlose im Iran, dürfen das Land nicht verlassen. Gleichzeitig werden ihnen, insbesondere da sie Mädchen sind, immer mehr Rechte entzogen. Ständig überlegen sie neu, welche Optionen am realistischsten sind, wie sie sich ein besseres Leben schaffen können. Doch keine dieser Lösungen scheint wirklich umsetzbar, geschweige denn ideal. 

Der Film begleitet Maydegol auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit, zum Training, zeigt Gespräche mit Freundinnen, in denen es um ihre Zukunft geht. Die Farbgebung des Filmes ist monoton gehalten, die Sättigung recht schwach. All das unterstützt die scheinbar aussichtslose Lage der Protagonistin. Im Publikumsgespräch meint Regisseurin Sarvnaz Alambeigi, ihr war wichtig zu zeigen, wie hoffnungsfroh die junge Generation an Afghaninnen und Iranerinnen ist. Doch mich überrumpelt der Dokumentarfilm. Für mich wirkt die Situation recht aussichtslos. Es ist schlimm mitanzusehen, was die Mädchen durchmachen. Doch wird auch ein emanzipierendes Frauenbild gezeichnet. Die Mädchen haben ein Ziel vor Augen, ein besseres Leben zu führen, und ergreifen aktive Schritte dies zu ermöglichen. Als ich nun im Nachhinein noch einmal den Trailer angucke, sehe auch ich die hoffnungsfrohen Ansätze, die der Film verfolgt. 

„Maydegol“ wirkt an manchen Stellen ein wenig repetitiv und zieht sich dadurch ein wenig, wodurch er mich von der Machart nicht vollends abholt. Dennoch möchte ich diese Erfahrung nicht missen. Gerade im Nachhinein finde ich es umso wichtiger, die Geschichte von Maydegol und ihren Freundinnen gesehen zu haben, ihre Perspektive kennengelernt zu haben. Es ist einer dieser Filme, die im Rahmen der Berlinale gezeigt werden, die es schaffen, ferne Lebensrealitäten näher zu bringen und dabei auf akute Missstände aufmerksam zu machen. 

Ein eindrücklicher Film, der zwar filmisch durchaus Verbesserungspotential birgt, aber es schafft, das Publikum zum Nachdenken anzuregen und eigene Privilegien zu reflektieren. 

  • Sarah

    Bereits als Kind besuchte Sarah mit ihrer Mutter und Schwester gemeinsam die Berlinale. Seitdem ist Berlinale Generation ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Im Rahmen des Berlinaleprojekts "Junge Journalisten" konnte sie erste Festivalluft schnuppern. 2013 gründete sie mit weiteren Berlinaleenthusiast:innen die freien Generation Reporter:innen. Außerhalb der Berlinale studiert Sarah aktuell im Master in Aachen, spielt E-Bass in einer Band und geht wahnsinnig gerne bouldern.

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