Eine Dokumentation der Liebe

Eine Kritik zu Kind Hearts
English version here.

Es ist ihr letzter Sommer, bevor der Ernst des Lebens losgeht. Billie und Lucas haben gerade die Schule abgeschlossen. Und was kommt jetzt? Wie kann man diesen Sommer gebührend zelebrieren? Reicht es, einfach nur wie immer für zwei Wochen in Portugal Urlaub zu machen? Und was ist eigentlich danach? Wird sich vieles ändern? Oder ist es doch einfach nur ein bisschen mehr von dem Gleichen? Und die Beziehung zwischen den beiden – ist das noch genug oder wird es auch hier Zeit für einen Neuanfang?

© Olivia Rochette & Gerard-Jan Claes 

Diesen Fragen des Übergangs zwischen Schulzeit und dem Leben danach widmet sich der Film Kind Hearts. In halbdokumentarischer Form verfolgt das Regie-Duo, bestehend aus Olivia Rochette und Gerard-Jan Claes, Billie und Lucas in dieser entscheidenden Phase ihres Lebens. In statischen Kameraeinstellungen werden insbesondere die unterschiedlichen Debatten, die sich in dieser Lebensphase ergeben, eingefangen. Während Billie sich viele Gedanken macht, ob und was sie nun studieren möchte und ob die Beziehung mit Lucas nicht vielleicht langsam an Aufregung verliert und sie deswegen lieber Schluss machen sollten, ist Lucas optimistischer, arbeitet weiter an seinen Beats, sieht zunächst nicht so eine große Veränderung auf sie zukommen.

Über zwei Jahre werden Billie, Lucas sowie ihre Interaktionen mit Freund:innen verfolgt. Ein schleichender Prozess voller Veränderungen. Zunächst die letzten Schultage, dann der gelöste Sommer, die ersten Tage in der Uni, schließlich Corona. Zwischendrin die Trennung. Und alles, was so etwas an Überlegungen und Stimmungen mit sich bringt.

In dieser Darstellungsart ist Kind Hearts definitiv etwas Besonderes. Wer schafft es schon, die Fragen und Unsicherheiten rund um die erste Liebe dokumentarisch einzufangen – quasi während es passiert? Es ist wirklich bewundernswert, wie Lucas und Billie sich dem Filmteam öffnen, all die Höhen und Tiefen mit ihnen teilen.
Gerade am Anfang wirkt dies jedoch noch ein wenig starr. Es bleibt offen, ob es sich bei dem Film um eine “richtige” Dokumentation handelt oder ob die beiden Regie-Führenden lediglich versuchen die Machart einer Dokumentation nachzuahmen. Dies sorgt zunächst zudem für eine gewisse Distanz.

Auch wenn der Großteil von Kind Hearts tatsächlich nicht geskriptet war, wurden nicht alle Elemente des Films genau in den Momenten aufgenommen, als sie aufkamen, sondern teils erst Monate später rekonstruiert. Dies ermöglichte es den beiden Darstellenden reflektiert ihre Gefühle und Gedanken zu äußern, lässt im Film jedoch auch ein wenig die Emotion der jeweiligen Situation vermissen.

Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Darstellungsform. Die tiefen und langen Diskussionen machen Billie und Lucas unglaublich nahbar, das Erlebnis des Filmguckens sehr immersiv. Gestützt wird dies von einer Audio- und Videoqualität, die je nach verwendetem Medium variiert. Sofern man diese Phase des eigenen Lebens bereits durchlebt habt, versetzt Kind Hearts einen zurück in diese prägende Zeit, man findet Anknüpfungspunkte an das eigene Leben.

Alles in allem auf Grund der halbdokumentarischen Form ein besonderer Film, der dem Pärchen viel Raum gibt, sich zu entwickeln sowie uns auf ihre Reise mitzunehmen, die doch so viele von uns teilen. Während die Machart zu Beginn noch etwas steif wirkt, überwiegen zuletzt doch die immersiven Momente mit den Darstellenden, ihren Sorgen, Wünschen und Vorstellungen; und eine Wertschätzung der gestalterischen Arbeit des Regie-Duos, die es geschafft haben, solch intime Momente einzufangen.

13.02.2022, Sarah Gosten

  • Sarah

    Bereits als Kind besuchte Sarah mit ihrer Mutter und Schwester gemeinsam die Berlinale. Seitdem ist Berlinale Generation ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Im Rahmen des Berlinaleprojekts "Junge Journalisten" konnte sie erste Festivalluft schnuppern. 2013 gründete sie mit weiteren Berlinaleenthusiast:innen die freien Generation Reporter:innen. Außerhalb der Berlinale studiert Sarah aktuell im Master in Aachen, spielt E-Bass in einer Band und geht wahnsinnig gerne bouldern.

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