Tieftraurig und doch komisch

Eine Kritik zu Wann wird es endlich so, wie es nie war.

Mit “Wann wird es endlich so, wie es nie war” eröffnet in diesem Jahr mal ein deutscher Film das 14Plus Programm der Berlinale. Der Saal ist rappelvoll. Viele Interessierte haben keine Tickets mehr erhalten, da das Filmteam plus “Family and Friends” wohl knapp die Hälfte des Saals ausmacht. Die Stimmung ist ausgelassen, alle warten gespannt auf den Film.

In drei Episoden erzählt der Film, eine Buchverfilmung des gleichnamigen Bestseller-Romans Joachim Meyerhoffs, die Geschichte einer Familie, die sich in einer doch recht untypischen Situation wiederfindet. Der Vater ist Leiter einer psychiatrischen Klinik in einer Zeit, in der begonnen wird, das Konzept von psychiatrischen Aufenthalten zu reformieren. Josse, der jüngste der drei Brüder, wird immer wieder von Tobsuchtsanfällen heimgesucht, von denen er sich kaum beruhigen lässt. Die zwei älteren Brüder nutzen dies schamlos aus und versuchen geradezu, ihn in dieses Stadium zu versetzen. Die Mutter sehnt sich nach einem aufregenderen Leben, zurück nach Italien, zu ihrer ehemaligen Liebe.
Das Publikum merkt jedoch recht schnell, dass es sich trotz der ungewöhnlichen Situation um eine Familie handelt, die man verstehen kann, die ihre schönen, lustigen Momente hat, gleichzeitig jedoch auch ihre tieftraurigen Probleme. Es geht hierbei in dem Film weniger um das Aufwachsen von Josse, als vielmehr um das langsame, tragische Zerbrechen einer Familie, die immer wieder heimgesucht wird von Schicksalsschlägen. Trotzdem ist der Film eine Tragikomödie, schafft es immer wieder die Balance zwischen bedrückenden Elementen und einer Komik zu verbinden, die den ganzen Kinosaal laut auflachen lässt. Die Traurigkeit schimmert jedoch immer durch. Die warmen Sepia-Farben des Films unterstützen diese Wahrnehmung aus Wärme und Tragik noch.

© Komplizen Film GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Frédéric Batier


Trotz der durchaus lustigen und berührenden Momente, in denen der Film einen mitnimmt, fehlt manchmal ein wenig der Faden, ein Verständnis über die Aneinanderreihung der drei einzelnen Filmbestandteile. Ein plötzlicher Ortswechsel in die USA, nur um fünf Minuten später wieder aufgebrochen zu werden, irritieren eher als dass sie zum Gewinn des Films beitragen. Im Rückblick, als Verfilmung eines Buches, machen diese durchaus Sinn, alleinstehend fehlt ein bisschen die Vision. Auch der letzte Zeitsprung hätte auf diese Art und Weise keine Not mehr getan. Er erlaubt jedoch dem Film zu einem irgendwie dann doch stimmigen Ende zu gelangen.

Man muss der Regisseurin Sonja Heiss jedoch auf alle Fälle zu Gute halten, auf welch liebe Weise sie den Menschen mit Behinderung in ihrem Film einen Raum gegeben hat. Ich muss gestehen, dass ich zunächst und auch während des Films ein wenig kritisch war. Ich finde es schwierig, wenn Gesichten über Menschen mit Behinderung erzählt werden aus der Perspektive von nicht selber betroffenen Menschen; zudem auch noch in einer komödiantischen Form, die davon lebt, (über die Menschen mit Behinderung) zu lachen. Häufig passiert dies (zumindest in meiner Wahrnehmung) leider mit einer gewissen Herablassung oder ohne sich tiefergehend mit deren Perspektiven beschäftigt zu haben. In dem sich an den Film anschließenden Publikumsgespräch wirkte es jedoch wirklich so, als wäre es der Regisseurin wichtig gewesen, den Laiendarstellenden Raum zu geben, selber ein wenig zu improvisieren und sich selber darstellen zu können. Auf diese Weise kann Inklusion im Kino dann doch schön vorangetrieben werden.

Alles in allem ein unterhaltsamer Film, der mich stellenweise echt berührt und zum Lachen bringt, mich trotz alledem aber nicht komplett überzeugt.

20.02.2023, Sarah Gosten
  • Sarah

    Bereits als Kind besuchte Sarah mit ihrer Mutter und Schwester gemeinsam die Berlinale. Seitdem ist Berlinale Generation ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Im Rahmen des Berlinaleprojekts "Junge Journalisten" konnte sie erste Festivalluft schnuppern. 2013 gründete sie mit weiteren Berlinaleenthusiast:innen die freien Generation Reporter:innen. Außerhalb der Berlinale studiert Sarah aktuell im Master in Aachen, spielt E-Bass in einer Band und geht wahnsinnig gerne bouldern.

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