Die erste große Liebe

Standing Ovations durch den gesamten Abspann bei der Premiere. Tosender Applaus beim ersten Screening mit Tausend Schulkindern. Young Hearts von Anthony Schatteman berührt jede Person im Publikum, unabhängig von Alter, Geschlecht und kulturellem Hintergrund. Und es ist so wichtig, dass diese Geschichte von jungen Menschen weltweit und den Erwachsenen in ihrem Umfeld gesehen wird.

Der Film begleitet Elias (Lou Goossens) bei der Entdeckung seiner eigenen Identität. Sein neuer Nachbar Alexander (Marius De Saeger) kommt aus Brüssel und weiß schon länger, dass er sich für Jungs interessiert. Elias hingegen ist mit seiner Mitschülerin Valerie zusammen. Erst mit Alexanders Ankunft stellt er infrage, was er immer über sich selbst zu wissen glaubte. Mit enormer Feinfühligkeit erzählt Young Hearts, wie die beiden 14-Jährigen zueinander finden und wie Elias sich der Frage stellt, wie er mit diesem neuen Wissen über sich selbst umgehen soll. Vor allem aber ist es eine Geschichte über die erste Liebe und die überwältigenden Gefühle, die damit einhergehen.

Lou Goossens und Marius De Saeger verzaubern das Publikum mit Leichtigkeit. Während wir sie auf ihren Erkundungstouren und gemeinsamen Ausflügen begleiten, bedarf es keiner langen Dialoge oder aufwändigen Kulissen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit und Kamera stehen die beiden Jungs. Das meiste ist ihnen am Gesicht abzulesen, denn es ist die verbale Kommunikation, die schwerfällt, auch wenn alles andere so einfach und offensichtlich scheint. 

© Thomas Nolf

Mit seiner Familie redet Elias lange nicht über seine Sorgen und Gefühle. Authentisch wird die Distanz dargestellt, die sich in der Pubertät nur allzu oft zwischen Eltern und Jugendlichen auftut. Es ist eine schwierige Zeit für alle Beteiligten. Die Eltern möchten ihrem Kind genug Raum lassen, aber manchmal muss das Kind auch genug Zusicherung bekommen, dass die Eltern weiterhin bei jeder Sorge und jedem Problem zur Stelle sind, Hilfe anbieten, wo sie gewollt ist. In meinen Augen ist es genau das, was Young Hearts zu einem gelungenen Coming-of-Age Film macht, der in jeder Altersgruppe Anklang findet, denn alle Altersgruppen werden in dieser Geschichte gesehen und zelebriert.

Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was dieser Film mit mir gemacht hat. Während des Screenings fühle ich jede Sekunde mit, die traurigen wie die herzerwärmenden, die verzweifelten wie die hoffnungsvollen. Und Hoffnung ist vor allem, was in mir am Ende des Filmes zurückbleibt. Dass zukünftige Generationen mit Filmen wie Young Hearts aufwachsen werden und es am Ende nicht mehr hauptsächlich ein queerer Film ist, sondern einfach nur noch ein Film. Denn obwohl ein großes Thema des Filmes ist, wie Elias zu sich selbst findet und wie er damit umgeht, geht es letztendlich um die Unsicherheiten und Gefühle, mit denen jede:r Teenager:in konfrontiert wird. Ob sich ein Junge in ein Mädchen oder in einen Jungen verliebt, sollte irgendwann keine Rolle mehr spielen. Young Hearts zeichnet keine Utopie, in der das schon der Fall ist. Aber mit seinem Debütfilm leistet Anthony Schatteman einen herausragenden Beitrag bei der Aufklärung, die nötig ist, damit es in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft so sein kann.

  • Johanna

    Johanna, 24, geht schon seit sie denken kann mit ihrer Schwester auf die Berlinale. 2013 wurde sie zum Gründungsmitglied der freien Generation Reporter:innen. Wenn sie nicht gerade über die Filme und Hintergründe des Generationprogramms schreibt, singt sie im Chor und verschlingt ein Buch nach dem anderen. Nebenbei studiert sie auch im Master Ernährungsmedizin in Lübeck.

Schreibe einen Kommentar zu

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert