Golsa rennt

Eine Kritik zu Dressage

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Hysterisch lachend beginnt der Film. Golsa und ihre Freunde haben soeben einen Kiosk ausgeraubt, dabei auch noch den Mitarbeiter niedergeschlagen und rasen nun mit dem Auto zu ihrem Unterschlupf davon. Doch schon bald fällt ihnen auf, dass sie vergessen haben, die Aufnahmen der Überwachungskamera mitzunehmen. Schnell spaltet sich die Freundschaft, als Schuldzuweisungen erhoben werden, um denjenigen zu bestimmen, der zurück zum Tatort muss. Keiner will sich dem Risiko hingeben, also stimmen sie „demokratisch“ ab. Golsa setzt sich standhaft zur Wehr, muss in diesem Fall allerdings den Kürzeren ziehen.
Von da an ordnet sie sich nicht mehr unter. Sie besitzt den Überwachungsfilm und beharrt auf ihrem Standpunkt, obgleich ihr alles genommen wird. Sie beginnt an ihren Freunden zu zweifeln und versucht, mit den Schuldgefühlen, die durch den Überfall bei ihr verursacht werden, umzugehen.

Dressage beeindruckt durch die unglaublich starke Persönlichkeit der Protagonistin. Allem Unrecht zum Trotz bleibt Golsa standhaft und gibt nicht nach. Selbst als ihr nach und nach alle Rückzugsorte genommen werden, verrät sie nicht, wo sich der Film befindet.
Die Ungerechtigkeit ihrer Lage ist zermürbend. Durch ihre stärkere Machtposition sind die anderen Beteiligten des Überfalls in der Lage, auf Golsa Druck auszuüben und ihre Eltern in den finanziellen Ruin zu treiben bei dem Versuch, sie zum Handeln zu zwingen. Während des Films kann man nur ungläubig den Kopf schütteln, wenn man nicht vor lauter Wut und Frustration die Tränen in die Augen bekommt.

Der Film lebt von Szenen, in denen Golsa rennt. Sie rennt, um rechtzeitig beim Pferdestall und wieder zurück zu sein, bevor die Eltern merken, dass sie sich ihren Regeln widersetzt. Sie rennt vor ihren ehemaligen Freunden davon, die sie ständig nach dem Film fragen und sie drangsalieren. Sie läuft weg, wenn die Eltern versuchen, sie auf den Diebstahl und das Herausgeben des Films anzusprechen. Sinnbildlich könnte dies als ein Wegrennen vor Normalisierung und Anpassung aufgefasst werden. Es findet wenig Konversation auf verständnisvoller Ebene statt. Überall stößt Golsa auf Mauern und Unverständlichkeit.

Dennoch erscheint sie durch das Wegrennen nicht schwach. Im Gegenteil, das beharrliche Festhalten an ihrer Position zeugt durch die Aussichtslosigkeit der Situation von einer Stärke, die eine große Verbundenheit zu ihrem Charakter schafft. Dies wird komplementiert von der Kameraführung, die ausdrücklich sie, ihre Mimik und ihre Wahrnehmung in den Fokus rückt. Bald muss sich allerdings auch der Zuschauer resigniert eingestehen, dass eigentlich nur eine Lösung denkbar ist.

Dressage zieht einen in seinen Bann, schafft eine tiefe Verbundenheit zur Hauptperson und vermittelt ein Gefühl der tiefen Frustration. Der Film ist gut durchdacht, nachvollziehbar und emotionsgeladen. Auf das einzig mögliche Ende kommt der Zuschauer im Verlauf des Films selbst, was nicht weniger betrübt.
Tatsächlich ist es im Nachhinein schwer zu sagen, wie eigentlich die Musik war oder andere stilistische Merkmale zu nennen, da die Emotionen den bleibendsten Eindruck hinterlassen haben. Betrübt ob dieser Ungerechtigkeit hat mich der Film zurückgelassen, doch auch bleibend beeindruckt und bewegt.

21. Februar 2018, Sarah Gosten

Golsa Runs

The film begins with hysterical laughs. Golsa and her friends have just robbed a kiosk, knocked down the employee and are now racing off to their shelter by car. But they soon realize that they forgot to take the footage from the surveillance camera with them. Soon friendship splits when accusations are raised to determine who has to go back to the scene of the crime. No one wants to take the risk, so they vote “democratically”. Golsa steadfastly defends herself, but in this case she has to lose out.
From then on, she will not submit. She owns the surveillance film and insists on her point of view, although everything is taken from her. She starts to doubt her friends and tries to deal with the feelings of guilt caused by the robbery.

Dressage impresses with the incredible strong personality of the protagonist. Despite all the injustice, Golsa remains steadfast and does not give in. Even as all the places of retreat are gradually taken away from her, she does not reveal where the film is.
The injustice of her situation is gruelling. Through their stronger position of power, people are able to put pressure on Golsa and drive her parents into financial ruin in an attempt to force her to act. During the film you can only shake your head in disbelief if you do not get tears in your eyes out of anger and frustration.

The film lives from scenes in which Golsa runs. She runs to be at the stable in time and back before her parents realize she is breaking their rules. She runs away from her former friends, who keep asking about the film and harassing her. She runs away when her parents try to talk to her about stealing and releasing the film. This could be seen symbolically as running from normalisation and adaptation. There is little conversation on an understanding level. Golsa encounters walls and incomprehensibility everywhere.

Nevertheless, she does not seem weak for running away. On the contrary, the persistent adherence to her position testifies to a strength that creates a strong bond with her character. This is complemented by the camera work, which explicitly focuses on her, her facial expressions and her perception. Soon, however, the viewer will have to concede with resignation that there is only one possible way out.

Dressage captivates, creates a deep attachment to the protagonist and conveys a feeling of deep frustration. The film is well thought through, comprehensible and emotionally charged. The only possible end comes to the viewer in the course of the film itself, which is no less distressing.
In fact, it is difficult to say what the music was like or to name other stylistic features, because the emotions left the most lasting impression. The film has left me saddened by injustice, but it has also left me deeply impressed and moved.

21st February 2018, Sarah Gosten
  • Sarah

    Bereits als Kind besuchte Sarah mit ihrer Mutter und Schwester gemeinsam die Berlinale. Seitdem ist Berlinale Generation ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Im Rahmen des Berlinaleprojekts "Junge Journalisten" konnte sie erste Festivalluft schnuppern. 2013 gründete sie mit weiteren Berlinaleenthusiast:innen die freien Generation Reporter:innen. Außerhalb der Berlinale studiert Sarah aktuell im Master in Aachen, spielt E-Bass in einer Band und geht wahnsinnig gerne bouldern.

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