Ein starker Film mit wichtiger Botschaft

Eine Kritik zu An Cailín Ciúin
english version here

Irland der 80er Jahre. Die neunjährige Cáit (Catherine Clinch) lebt mir ihren vier Geschwistern und ihren Eltern in einem alten, kleinen Haus. Die Mutter – beschäftigt damit sich um ihren Säugling zu kümmern und schwanger mit dem sechsten Kind – hat kaum Zeit für Cáit und ihre drei großen Schwestern und überlässt die Erziehung den Kindern selbst. Vom Vater, der nur selten zu Hause ist, kommt bis auf Beschwerden über seine Kinder auch nicht viel mehr. So ist Cáit weitestgehend auf sich alleine gestellt, denn auch ihre Schwestern scheinen eher von ihr genervt zu sein, wenn Cáit in der Schule mit ihnen spricht oder etwas benötigt. Lieber verbringt sie ihre Zeit daher still alleine in der Natur, um den engen Wänden ihres Zuhauses zu entfliehen.

Um die Mutter zu entlasten, wird Cáit in den Sommerferien zu ihrer Tante Eibhlín und deren Mann Seán gebracht, welche sie zwar nicht kennt, die ihn ihrem großen Haus allerdings Platz für das Mädchen haben. Unterschiedlicher könnten die beiden Familien nicht sein – hier ist alles hell, sauber und ruhig; umgeben von einer idyllischen Landschaft, in der sich das Paar um ihre Kühe kümmert und Wasser aus einem nahegelegenen Brunnen holt. Zuerst noch sehr eingeschüchtert beobachtet Cáit still, als sie von Eibhlín zum Wasserholen mitgenommen wird oder beim Essen machen hilft, und auch zu Seán hat sie anfangs noch sehr große Distanz. Im Laufe der Zeit fängt Cáit sich allerdings an sich zu öffnen und blüht immer mehr auf, als die Beziehung zu beiden vertrauter wird. Zum ersten Mal erlebt sie Fürsorge und es kommen Gefühle einer richtigen Familie auf, auch wenn Cáit erst spät und mit Schrecken herausfindet, wieso sie im Haus aufgenommen wurde.

Regisseur Colm Bairéad führt das Publikum ruhig und langsam in den Film hinein, sodass Cáits beobachtende Position übernommen werden kann. Je weiter sie sich öffnet, desto mehr Fahrt nimmt auch der Film auf. Zwar gibt es in den knapp 95 Minuten auch einige Längen, allerdings auch genug Spannungsmomente, sodass eine schöne Dynamik entsteht, die besonders im letzten Drittel des Filmes packend ist. Catherine Clinch schafft es überzeugend Cáits Befinden und Gefühle auf die Leinwand zu bringen, sodass die Veränderung des Mädchens wunderbar miterlebt werden kann.

„An Cailín Ciúin“ basiert auf der Kurzgeschichte „Foster“ von Claire Keegan und zeigt auf starke Weise, wie wichtig Zuneigung für aufwachsende Kinder ist. Er beleuchtet zwei unterschiedlichste Versuche eine erfüllendere Familiensituation zu erreichen – auf der einen Seite eine Erleichterung des Familienstresses durch die Weggabe eines Kindes, auf der anderen das Füllen von Lücken durch die Lebenslust eines Kindes. Gerade die letzten Szenen des Filmes sind sehr berührend und regen zum Nachdenken und Wertschätzen einer liebenden Familie an. Das, was für viele wahrscheinlich selbstverständlich ist, ist ein großes Privileg und unfassbar wichtig für die Entwicklung eines Kindes: Ein behütetes Zuhause; Eltern, die ihrem Kind Zeit und Fürsorge geben können. Denn wie sollen Heranwachsende es später besser machen, wenn es ihnen nie gezeigt wurde?

Wer es schafft, sollte sich „An Cailín Ciúin“ nicht entgehen lassen – ein berührender Film mit wichtiger Botschaft.

Die weitere Vorstellungen sind:
Sa 12.02. 14:30, Cubix 8
So 13.02. 09:30, Filmtheater Friedrichshain,
Fr 18.02. 11:00, Urania, und
Sa 19.02. 17:00, Cubix 8

11.02.2022, Clara Bahrs

  • Clara

    bezeichnet die Berlinale oft als 5. Jahreszeit. Während über das restliche Jahr Filme oft leider viel zu kurz kommen, sind die zehn Tage Berlinale dafür um so schöner, in denen man durch unterschiedlichste Filme im Generation-Programm Einblicke in Geschichten von jungen Protagonist:innen bekommt. Im mittlerweile sechsten Jahr mit den fGR freut sich Clara auf viele unvergessliche Filme, anregende Diskussionen, spannende Interviews und vor allem auf die einzigartige Berlinale Stimmung!

Schreibe einen Kommentar zu

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert