Autor: Liv Thastum

Erinnerungen an Wüsten
Interview, Kritik

Erinnerungen an Wüsten

Ein Rückblick auf die Berlinale 2023. Heute vor einem Monat war der letzte Tag der 73. Berlinale. Ich sitze auf dem kleinen Balkon eines Hotelzimmers in der Nähe von Zagora im Süden Marokkos. Das Mittagsgebet hallt kratzig durch die Lautsprecher des Minaretts und wird von den umliegenden Bergen zurückgeworfen. Ich blicke auf die Hauptstraße und den dahinter liegenden riesigen Palmenhain, der sich entlang des Wadi Draa Flusses bis zu den angrenzenden Bergen und der dahinter liegenden Erg Chigaga Wüste erstreckt. Die Sonne scheint erbarmungslos auf die ausgetrocknete Landschaft - die Berlinale und dieser kalte Februar könnte sich nicht weiter entfernt anfühlen. Also was ist da noch in meinem Kopf von der diesjährigen Berlinale? Was hat sich da festgesetzt und will auch keinen Platz mach...
How to become a bag of rice
Kritik

How to become a bag of rice

A comment on Kiseye Berendj The Retrospective section at this year's Berlinale shows films on the theme "Young at Heart - Coming of Age at the Movies". Well-known filmmakers have put together the films for the programme. Tilda Swinton chose the Iranian film Kiseye Berendj by Mohammad-Ali Talebi from 1996. Here, the viewer enchantingly follows the little girl Jairan who, together with her old neighbour, makes her way through the labyrinth of Theran to buy a sack of rice. It is the dramas of everyday life that are shown on the big screen. In a time where cinema is overloaded with complex storylines, plot twists and special effects, it is a pleasant surprise to experience how this narrative can shine in its simplicity. Tilda Swinton writes about this timeless film: "We each alchem...
Kritik

In Zwischensprachen das Meer anschreien

Eine lyrische Kritik zu Zeevonk und Sica Das Meer ist wiederkehrender Schauplatz in den Filmen des diesjährigen Berlinale Generation Programms. Als unzähmbare Naturgewalt stellen die Wassermassen junge Protagonisten vor Herausforderungen und bringen einschneidende Erlebnisse mit sich. Vor allem im belgischen Film „Zeevonk“ (K+) und im spanischen Film „Sica“ (14+) steht das Meer im Fokus der Erzählung. Beide Filme erzählen von einer Teenagerin die ihren Vater durch das Meer verliert und dem Umgang mit diesem Verlust. Trotz sehr unterschiedlichen Ästhetik und Bearbeitung der Thematik sind sich die Filme verwandt. In Momenten kann „Sica“ sogar als Fortsetzung auf die in „Zeevonk“ auftauchenden Motive gelesen werden. Die einige Jahre ältere „Sica“ sucht auch nach Antworten und einer Erk...
Kritik

Für 122 Minuten Teenager sein

"Fühlst du dich noch verbunden zu dem, was du gefühlt hast, also du so alt warst wie ich? Liegt das alles in der Vergangenheit oder kannst du diese Erlebnisse irgendwie wieder erleben?" Nach „Shkola nomer 3“ (2017) und „The earth is blue as an orange“ (2020) präsentiert Generation 14+ mit „Stop Zemlia“ auch bei der diesjährigen Berlinale einen Jugendfilm aus der Ukraine. Für ihren einfühlsamen Film erhält Regisseurin Kateryna Gornostai den gläsernen Bären der Jugendjury. Eine Schule irgendwo in Kiew. In Sequenzen unterschiedlicher Länge folgt die Kamera Schüler*innen aus der 11. Klasse und lädt die Zuschauer*innen dazu ein, am Gefühlsleben der ukrainischen Teenager teilzuhaben: Am ersten Verliebtsein, an Klassenfeiern, Schulstunden, Freundschaftsritualen, Ängsten und Selbstzweife...
Interview

Between surealism and reality

2020 Berlinale Generation presents the Ukrainian documentary “The earth is blue as an orange” which already won the documentary directing award at this years Sundance film festival. In a loving way the film follows single mother Anna and her four children as they document their lives on the Ukrainian/Russian boarder trough their own film project. Director Iryna Tsilyk manages to draw a deeply touching portray of a family trying to bring normality and hope into a life marked by war. The outstanding camera work creates pictures that are able to transport a feeling of surrealistic normality in circumstances who are terrifying real. With her first documentary feature film Iryna Tsilyk reminds us that although the media presence is decreasing the war between Ukraine and Russia is still going ...
Kritik

Die Welt ist blau wie eine Orange

Eindrücke zum Ukrainischen Dokumentarfilm „The earth is blue as an orange“. SZENE 1 TAKE 4 Das Geräusch von Bomben zerstört Häuser und Gedanken ihr Kind schläft Nachts mit offenen Augen Der Mond versteckt sich hinter müden Schornsteinen damit er die Einschusslöcher nicht sehen muss: Blaue Fensterrahmen Im Schatten der Ostblockbauten treten sie auf das Geräusch von Scherben und der Surrealismus umarmt die Realität Eine Familie an der Grenzlinie filmt den orangenen Staub von Красногорівка „Сподіваюся“ Die Brennweite der Kinderträume reicht bis nach Kiew wo man das Objektiv auf plätschernde Springbrunnen hält Der Spiegelreflex ist schwach geworden aber der Puls noch immer hoch „Gestern war der Himmel rot“ Ora...
Interview

The language of visuals

„They take the gold and throw away the chest. That chest is our country.“ Mongolia is considered to be one of the ten most resource-rich countries in the world. Foreign investors have transformed one fifth of Mongolia to mining areas. Nature is being destroyed, the daily life of local people is affected. Byambasuren Davaa, known for „The story of a weeping camel“, takes her new feature film „Veins of the World“ to this year's Berlinale Generation, in which she portraits a nomad family, living in a region that is about to become mining area. In strong cinematographic pictures, the film tells a story about a young boy and his big dream, about the loss of a father, about love to nature and the soul of Mongolian mountains.THE NATURE“Veins of the world” transports a feeling for Mongolian nature...
Kritik

Love musik, hate fascism!

Am 30. April 1978 demonstrieren hunderttausend junge Menschen gegen den zunehmenden Rassismus in England. In einem Protestmarsch vom Trafalgar Square zum Londoner Victoria Park setzen sie ein Zeichen gegen die rechtsextreme Szene. Punkbands wie „The Clash“ oder „X-ray Spex“ treten auf und bestärken durch ihr Konzert die Jugendbewegung: Rock Against Racism (RAR) erreicht seinen Höhepunkt.Nach ihrem Kurzfilm „White Riot“, der bei der Berlinale Generation 2017 gezeigt wurde, vertieft Rubika Shah ihre dokumentarische Arbeit über die Londoner Protestbewegung in einem Feature-Film mit selben Titel. Es entsteht eine Collage aus Bild und Tonmaterial der 70er Jahre und aktuellen Interviews mit den Initiator*innen des Aufstands. „Es war mir wichtig die Menschen hinter Rock Against Racism zu zeigen.“...
Allgemein

Mein eigen Fleisch und Blut

Pulsierende Sounds, düstere Atmosphäre, Spannung von der ersten Sekunde.„Kød og blod“ (Fleisch und Blut) ist der Titel des dänischen Films, der Freitag in der Sektion Panorama seine Weltpremiere feierte. Ein Hybrid aus Thriller und Familiendrama, Mafia Film und Coming of Age. Regisseurin Jeanette Nordahl wagt sich mit ihrem Regiedebüt in ein von Männern dominiertes Genre: und brilliert.Family comes firstNachdem ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, muss die 17-jährige Ida gegen ihren Willen bei ihrer Tante und ihren drei Cousins leben. Ihr neues Umfeld: Ein krimineller Familienclan, angeführt von einer skrupellosen Matriarchin. Fürsorglich und besitzergreifend spinnt sie Ida in ihr Netz ein. Ein Konflikt mit der Polizei stellt Ida vor eine schwere Entscheidung.Rauschend....
Kritik

Leichte Unterhaltung auf Philippinisch?

Es ist eine Geschichte vom ersten verleibt sein, von Freundschaft und dem Loslassen der Eltern. Eine, die wir schon oft gesehen haben und doch nicht ganz, denn diese spielt in den Philippinen - in einem Vorort von Manila. Paolo und seine Freund*innen Leben in einem Dorf am Fuße des Vulkans Pinatubo. Ihr Alltag ist geprägt von Stromausfällen und Erdbeben, und doch lebt es sich leicht hier. Paolos hat die neuesten Nintendo-spiele und die schicksten Schuhe. Er macht was seine Mutter ihm sagt, bis er sich zum ersten mal verliebt.Es ist angenehm überraschend mit „Death of Nintendo“ einen Film aus den Philippinen im Generation-Programm zu sehen, der so leicht und fröhlich ist. Keine romantisierenden Naturaufnahmen oder präsentierte Kontraste zur westlichen Welt. Eine Geschichte, die überall spie...